05.04.2022, 19:34
Kommentar zu Abschnitt 8.5 Geosynthese (§ 5 EndlSiUntV)
In dem Abschnitt wird dargestellt: „Die Grundlage für die Geosynthese sind geowissenschaftliche Daten, die die BGE in erster Linie von den Staatlichen Geologischen Diensten abfragt und anschließend sichtet und aufbereitet. Dies sind beispielsweise Bohrungsinformationen, geologische Karten, bohrlochgeophysikalische sowie reflexionsseismische Messungen und vorhandene 3D-Modelle. ... In Phase I erhebt die BGE keine eigenen Daten in den Teilgebieten. Dies geschieht erst in Phase II durch die übertägige Erkundung der durch den Gesetzgeber festgelegten Standortregionen (§ 16 StandAG). Eine detailliertere Darstellung der Methodik zur Geosynthese inklusive Erläuterung anhand von Beispielen ist Anlage 1, Kapitel 5 zu entnehmen.
In der referenzierten Anlage 1 wird in Abschnitt 5.1.2 Bewertung der Datenlage und der geologischen Rahmenbedingungen auf den Umgang mit Bohrungen eingegangen. Bohrungen werden als direkte Nachweise angesehen, und durch zwei Kennzahlen beschrieben (DQL, DQN). Es ist nicht zu erkennen, wie die im Konzept beschriebene Sichtung und Aufbereitung stattfindet, beziehungsweise, was darin geschieht. Es ist daher nicht vollständig transparent, auf welcher Basis die Zahlen für DQL ermittelt werden. Die Vergabe von DQL ist schematisch dargestellt (Bildung von Mittelwerten).
DQN wird anhand der geographischen Lokation mathematisch ermittelt. Da Bohrungen jedoch in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen abgeteuft werden, besteht das Risiko, dass lediglich von ähnlichen speziellen strukturellen Sachverhalten Informationen bereitgestellt werden. Die Anzahl und räumliche Nähe würden dann nicht die Variabilität im Gebiet abbilden.
Es ist nicht klar zu erkennen, wie mit dieser Vorgehensweise die vorhandenen geologischen Ungewissheiten effizient und effektiv reduziert werden, oder sich mit der Anwendung dieser Vorgehensweise auf Phase 2 vorbereitet wird.
Da die Wirtsgesteine nicht das Ziel der Bohrtätigkeit waren, wurden die ursprünglichen Daten und Interpretationen auch nicht erstellt, um zuverlässige Aussagen über das Wirtsgestein zu erstellen.
Das, was durch diese Bohrungen an Daten verfügbar ist, wird jetzt allerdings genutzt (da es nichts anderes gibt).
Das ist nicht das gleiche, als wenn das Wirtsgestein Ziel der Aktivität (im Fokus der Aufmerksamkeit) gewesen wäre.
Es besteht deshalb das Risiko, dass diese Informationen nicht hinreichend repräsentativ sind, um das Wirtsgestein im Untersuchungsgebiet ausreichend zu charakterisieren.
Es wird daher angeregt, aus Bohrungsdaten den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Diese Aktivität könnte in diesem Abschnitt von Phase 1 stattfinden, um so optimal auf Phase 2 vorbereitet zu sein.
Es wird angenommen, dass für ein definiertes Gebiet nur bedeutsame Bohrungen betrachtet werden, das heißt: Bohrungen, die relevant sind, weil sie das Wirtsgestein durchteuft haben (oder hätten durchteufen sollen), ohne Probleme zugänglich (effizient) sind, die dazugehörigen Daten und Interpretationen verstanden werden können, und dass sie rechtzeitig zur Verfügung stehen, um sie in der Bewertung nutzen zu können.
Eine Information aus einer Bohrung ist zuverlässig, wenn sie bedeutsam ist, das gewünschte/erforderliche Maß an Präzision hat, genau, gültig, und vollständig ist.
Bohrungen sind bedeutsam, weil sie das Äquivalent eines wissenschaftlichen Experimentes darstellen. Durch Anwendung wissenschaftlicher Prinzipien wird eine geologische Hypothese aufgestellt (Prognose). Diese Hypothese wird durch die Bohrung getestet.
Im Gegensatz zu einem naturwissenschaftlichen Experiment im Labor ist das Ergebnis nicht lediglich eine vollständige Bestätigung oder vollständige Wiederlegung der geologischen Prognose. Das Ergebnis drückt aus, inwieweit vorhandene Ungewissheiten im Untergrund reduziert wurden.
Ein erstes Anzeichen, wie gut die Geologie zum Zeitpunkt der Prognose verstanden worden war, ergibt sich aus dem Verhältnis von erfolgreichen zu nicht erfolgreichen Bohrungen.
Dies kann je nach Datenlage detaillierter betrachtet werden. Während im wirtschaftlichen Sinne „ein knapp vorbei“ in der Regel als Misserfolg deklariert werden muss, kann es sich geologisch um ein „kaum daneben“ handeln.
Ein erstes Ziel sollte eine 1D Darstellung des Wirtsgesteins in einem Maßstab sein, der es erlaubt, alle Eigenschaften darzustellen, die einen kritischen Einfluss auf die Eignung als Wirtsgestein haben. (Im Falle von Tongesteinen könnten dies (zum Beispiel) seltene, leicht zu übersehende 0,5cm mächtige höherpermeable Einlagerungen sein, die als Fluidwegsamkeiten dienen könnten.) Die geologischen Abwägungskriterien (StandAG §24) bilden eine gute Orientierung zu den Inhalten.
Dazu soll dokumentiert werden, wie zuverlässig dieses 1D Modell ist (Quelle der Daten, Interpretationen, Details werden weiter unten erläutert).
Es wird erwartet, dass keine direkten Nachweise in Form von Bohrkernen vorliegen.
Die einzigen direkten Nachweise sind daher Spülungsproben. Damit verbunden sind zahlreiche Interpretationsprobleme. Wie genau, vollständig und gültig ist die Beschreibung dieser Proben? Hat der Bearbeiter die Beschreibung lediglich zur Orientierung genutzt, wo er sich in der Prognose befindet, um Aussagen zum geologischen Bohrfortschritt machen zu können?
Die Probennahme ist nicht kontinuierlich. Hat er etwas übersehen (können)?
Wie zuverlässig ist die Beschreibung? Je nach Qualifikation ist die Detailtiefe beim Vorhandensein von (zum Beispiel) lediglich Splittern von Tongesteinen unterschiedlich. Diagenetisch umgewandelte Intrusivgesteine können unter einem Binokular wie marine Tonsteine aussehen. Sehr geringmächtige Einlagerungen werden oft übersehen, da sie nur einen sehr geringen Anteil in der Spülungsprobe bilden, oder beim Zeitpunkt der Entnahme vollständig fehlen.
Zudem werden relevante Eigenschaften, die nur im cm bis dm Bereich erkannt werden können, nicht verfügbar gemacht. Kristallingesteine sind nur schwierig zuverlässig zu identifizieren, wenn es sich zum Beispiel um Granite mit einer identischen Zusammensetzung wie Gneise handelt.
Elektrische Bohrlochmessungen liefern indirekte (petrophysikalische) Daten. Dies Daten werden interpretiert, um sie als geologische Information darstellen zu können. Die damit verbundenen Möglichkeiten, etwas nicht zuverlässig zu interpretieren, können Bücher füllen.
Über die letzten 50 Jahre hat sich die Präzision (Auflösung) und die Auswahl der Eigenschaften, die gemessen werden können, stark verbessert. Es kann trotzdem sein, dass dies weiterhin nicht ausreicht, um Wirtsgesteine zuverlässig charakterisieren zu können.
(Bei Gesteinen, die nirgendwo an der Oberfläche ausstreichen, werden deshalb in der Kohlenwasserstoffindustrie Gesteinskerne genutzt. Die Auswertung der Kerne erfolgt nicht nur in Form von Berichten mit Bildern, oder durch Laboruntersuchungen von Porosität und Permeabilität. Bearbeiter lernen am Kern selber Gesteinseigenschaften zu erkennen, zum Beispiel mehrere cm mächtige zementierte Bereiche, die auf den Bohrlochmessungen von Speichergesteinen nicht zu erkennen sind, Ichnofacies, die eine Einordnung in Ablagerungsmilieus ermöglichen, obwohl keine Fossilien vorhanden sind, und vieles andere mehr.)
Falls angenommen wird, dass in der entsprechenden Phase des Endlagersuchprozesses ausreichende Angebote für Messdienstleistungen vorhanden sein sollten, wird empfohlen, diese Hypothese sobald wie möglich zu testen. Das Angebot von Dienstleistern hat andere Zielgruppen mit anderen Anforderungen im Fokus.
Zusätzlich können weitere Daten vorliegen. Für eine Einschätzung der Ausdehnung einzelner Gesteinskörper in tonigem Wirtsgestein sind dies biostratigrafische Daten, die zusammen mit reflexionsseismischen Daten für sequenzstratigrafische Interpretationen genutzt werden. Vitrinitreflektionsmessungen lassen Rückschlüsse auf die diagenetische Geschichte zu.
In anderen Wirtgesteinen kann die Analyse von Flüssigkeits- und Gaseinschlüssen, Klüften, usw. bedeutsame Hinweise liefern.
Für jede bedeutsame Bohrung im Untersuchungsgebiet sollte daher eingeschätzt werden, wie zuverlässig die Informationen aus der Bohrung sind. Welche Präzision ist vorhanden: Auflösung im cm Bereich? dm Bereich? m Bereich? Gröber?
Wie vollständig ist die Information (die Formation ist nachgewiesenermaßen ungestört und vollständig durchteuft)?
Wie genau ist die Information (ein anderer Bearbeiter würde bei einer Bearbeitung zu denselben Ergebnissen kommen)?
Wie gültig ist die Information (inwieweit stimmt die Beschreibung mit der Wirklichkeit überein)?
Die Einschätzungen für Präzision, Vollständigkeit, … sind jeweils getrennt begründet zu dokumentieren. Dies ist zeitaufwändig, vor allem, wenn standardisierte Arbeitsprozesse erst erarbeitet werden müssen, mit denen die Gültigkeit der Ergebnisse überprüft werden kann. Ohne diese Einschätzungen kann die Qualität des vorhandenen Wissens leicht überschätzt werden. Als Resultat werden dann Prognosen erstellt, die deutlich unsicherer sind, als angegeben.
Die Ergebnisse dieser Arbeit bilden die Basis einer nachvollziehbaren Einschätzung der Ungewissheit über die Eigenschaften des Wirtsgesteins an der Lokation der Bohrung (ein lokales 1D Profil). Desto unzuverlässiger die Information, desto weniger Nutzen hat sie für die Bestimmung der Eignung eines Teilgebietes.
Ein besonders unangenehmes Problem sind fehlerhafte Beschreibungen, die nicht erkannt werden, weil sie den Vorstellungen des Bearbeiters/der Bearbeiterin entsprechen und deshalb als gültig bewertet werden.
Es wird angeregt, für die jeweilige einzelne Einschätzung Wahrscheinlichkeitswerte zu verwenden. Damit kann ausgedrückt werden, wie sicher sich der jeweilige Bearbeiter/die Bearbeiterin drüber ist, dass die Einschätzung gültig ist.
Da keine Kalibration möglich ist (die Bohrung wird nicht wiederholt, die Bohrungsdatenanalyse wird nicht wiederholt, es kann nicht herausgefunden werden, wie zutreffend die individuelle Einschätzung ist), wird empfohlen, zumindest auszugsweise Bohrungen durch eine oder mehrere BearbeiterInnen unabhängig voneinander einschätzen zu lassen.
Eine geringe Streuung würde auf eine erfolgreiche Umsetzung von standardisierten Arbeitsprozessen schließen lassen.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass im Arbeitsalltag das Bayes Theorem angewendet werden kann, um quantitativ darzustellen, ob, und wenn ja, wie sich die Ungewissheiten durch den Erwerb von Daten und den darauf aufbauenden Tätigkeiten reduziert haben.
Falls das Wirtsgestein in der geografischen Nähe aufgeschlossen ist (Steinbruch, Tongrube, Bergwerk) kann die Zuverlässigkeit durch detaillierte geologische Gesteinsaufnahmen kalibriert werden. Dabei werden Bohrungen simuliert. In der Regel wird dabei so vorgegangen, dass in dem Aufschluss an einer Lokation ein 1D Profil angefertigt wird. Mit diesem 1D Profil wird eine Vorhersage gemacht, wie ein 1D Profil an einer anderen Stelle in dem Aufschluss aussieht.
Zusätzlich wird eingeschätzt, wie zuverlässig diese Vorhersage ist.
Danach wird durch einen anderen Mitarbeiter/ eine andere Mitarbeiterin an dieser anderen Stelle ein weiteres 1D Profil angefertigt. Das Resultat wird mit der Vorhersage verglichen.
Die Unterschiede werden analysiert. Handelt es sich um andere Gesteine, oder sprechen die unterschiedlichen BearbeiterInnen das gleiche Gestein anders an?
Dies ermöglicht eine erste Aussage zur Gültigkeit der Einschätzung der Zuverlässigkeit. Im Anschluss wird erneut eine Vorhersage gemacht, wie ein weiteres 1D Profil an einer anderen Stelle in dem Aufschluss aussieht. Es wird wieder ein anderer Mitarbeiter/ eine andere Mitarbeiterin eingesetzt, um das neue 1D Profil zu erheben.
Danach wird erneut ausgewertet. Als Resultat wird ein Eindruck davon gewonnen, wie gültig Einschätzungen und Vorhersagen sind.
In der Praxis ist dies oft schwierig umzusetzen, weil die Aufschlüsse relativ klein sind, und die Abstände zwischen den Profilen nicht ausreichend groß sind, um Unsicherheiten zu adressieren. Veröffentlichungen, die dieses Problem adressieren, nutzten daher in der Regel kilometerlange Klippen, oder kilometerlange Stollen in Bergwerken. Die Darstellungen sind sehr detailliiert, damit die Einschätzungen nachvollzogen werden können, ohne vor Ort zu sein.
Weil schwierig sein kann, in Deutschland Aufschlüsse für Wirtsgesteine zu finden, die diesen Ansprüchen genügen, sollte frühzeitig damit begonnen werden, sich zu überlegen, wie dies umgesetzt werden könnte.
Eine enge Kollaboration mit KollegInnen der jeweils zuständigen Landesämter (inkl. Teilnahme an der praktischen Umsetzung) würde sicherstellen, dass nach einiger Zeit alle wissen, was der/die jeweils andere meint, wenn er/sie über den Sachverhalt spricht.
Falls das Wirtsgestein in der geografischen Nähe nicht aufgeschlossen ist, müssen analoge Vorkommen in anderen Teilen der Welt genutzt werden.
In allen Fällen muss die Zuverlässigkeit der Daten und Interpretationen eingeschätzt werden können. Dies ist deutlich unzuverlässiger, da Fragestellungen nicht im Dialog geklärt werden können.
Die Ergebnisse dieser Art der Betrachtung würden außerdem sequenzstratigrafische Reinterpretationen der vorhandenen reflexionsseismischen Daten unterstützen.
Aufgrund der relativ geringen Bohrtätigkeit in Deutschland wird angenommen, dass viele Daten nicht in einem lesbaren digitalen Format vorliegen. Die Digitalisierung könnte direkt beginnen, nachdem man weiß, was später genutzt werden soll, und wie zuverlässig dies wohl ist (zum Beispiel für Szenarien in einer Monte Carlo Simulation).
Aus den Einschätzungen der Zuverlässigkeit könnte zudem abgeleitet werden, welcher Art von Datenerwerb notwendig ist, um in Phase 2 eine hinreichende Sicherheit dafür zu erlangen, dass die geologischen Eigenschaften des Wirtsgesteins für einen Standort hinreichend zuverlässig vorhergesagt werden können.
Die Geschichte der Lagerstättenexploration enthält zahlreiche Beispiele dazu, wo als Konsequenz fehlender Detailarbeit das wirtschaftliche Potential eines Gebietes nicht gut genutzt wurde, weil die notwendigen Erkenntnisse erst dann gewonnen wurden, als der Zeitraum der Explorationslizenz fast oder ganz abgelaufen war.
Durch die Nutzung von öffentlich zugänglichen Aufschlüssen könnte zudem die Art der Bürgerbeteiligung verbessert werden. Das können auch Salzbergwerke sein. Ein Wirtgestein kann dadurch unmittelbar erfahrbar sein, und nicht ein abstrakter theoretischer Begriff in einer schwer lesbaren Dokumentation.
Die BürgerInnen können selbst entscheiden, in welche Richtung sie in dem Aufschluss sehen wollen, wohin sie gehen wollen, und was sie angesprochen und erklärt haben wollen. Direkt vor Ort kann gelernt werden, wie das beschrieben wird, was gesehen wird, so dass ein anderer an einer anderen Stelle weiß, wovon gesprochen wird.
Es könnten Fragen beantwortet, und Missverständnisse beseitigt werden. Es kann erklärt werden, wie sich das Gestein an der Oberfläche (Verwitterung etc.) von dem unter Tage unterscheidet.
Es folgt nun zur Illustration ein kurzer fiktiver Sachverhalt (Stichworte: Bohrlochdaten, Interpretation, Beobachtung, Orientierung, Beurteilung, Entscheidung). Das reale Leben ist sehr viel detaillierter und komplizierter.
Sie sind mit einer Dateneinsicht beauftragt, damit Ihr Arbeitgeber sich entscheiden kann, ob er ein Beteiligungsangebot in der Ölindustrie annimmt. Sie erhalten vom Betriebsführer Einsicht in Daten von drei Bohrungen, in denen in einer 250 Meter mächtigen Speichergesteinsformation, die zu 80% aus grauen und graubraunen Tongesteinen besteht, in 10 bis 20 Meter mächtigen Sandsteinlagen erfolgreich Öl-Zuflüsse getestet wurden. Die Sandsteinlagen sind vollständig mit Öl gefüllt. Bohrlochmessungen, und reflexionsseismische Daten werden zur Verfügung gestellt. Auf den reflexionsseismischen Daten kann die Formation kartiert werden, nicht aber die einzelnen Sandsteinlagen.
Dies sind Daten und Interpretationen, die direkt beobachtet werden können.
Sie wissen aus Scoutinformationen, dass sich in dem Lizenzgebiet eine vierte Bohrung befindet. Auf Nachfrage ergibt sich, dass die Formation dort in einer anderen Fazies (grüne und grünbraune Tongesteine) vorkommt, und keine Sandsteinlagen angetroffen worden sind. Alle Bohrungen werden bis zu der gleichen Formation abgeteuft, die auf den reflexionsseismischen Daten zuverlässig zu identifizieren ist.
Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass die verfügbaren biostratigrafischen Daten keine Gewissheit darüber bringen, ob die identisch aussehenden Sandsteinlagen zur gleichen Zeit abgelagert wurden.
Anhand der reflexionsseismischen Daten vermuten Sie, dass das ursprüngliche Explorationsziel eine unterlagernde Struktur war, die sich in den Bohrungen als wasserführend herausgestellt hat.
Dies sind Daten und Interpretationen, die Ihnen helfen, sich in dem Sachverhalt orientieren zu können.
Um den Sachverhalt beurteilen zu können, entscheiden Sie sich dazu, eine eigene sequenzstratigrafische Interpretation zu erstellen. Neben den reflexionsseismischen Daten nutzen Sie dazu Änderungen in der Impedanz und der natürlichen Radioaktivität in der Speichergesteinsformation, wie sie durch die Bohrlochmessungen aufgezeichnet wurden.
Nach ihrer Einschätzung hat die vierte Bohrung nicht die Formation in einer anderen Fazies durchteuft, sondern einen Intrusivkörper, dessen Geometrie nicht ermittelt werden kann, da er die gleichen reflexionsseismischen Eigenschaften wie die Lagerstättenformation hat.
Als Ergebnis der sequenzstratigrafischen Interpretation schätzen Sie das ursprüngliche Ablagerungsmilieu, und basierend darauf, die möglichen Dimensionen der lateralen Ausdehnung der einzelnen Sandsteinlagen ein. Dies ermöglicht Ihnen eine Abschätzung möglicher Speichergesteinsvolumen und basierend darauf, eine Abschätzung der Menge des vorhandenen Öls.
Damit ausgerüstet begutachten Sie die Zufluss-Testdaten. Die dort beobachteten Druckänderungen unterstützen Ihre Einschätzung, dass das mit jeder Bohrung verbundene Ölvolumen gering ist.
Sie beurteilen daher den Einstiegspreis in dieses Vorhaben als nicht gerechtfertigt. Sie präsentieren Ihre Ergebnisse dem Entscheidungsgremium Ihres Arbeitgebers, zusammen mit der Art und Größe der eingeschätzten Ungewissheiten, damit dieses eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.
In dem Abschnitt wird dargestellt: „Die Grundlage für die Geosynthese sind geowissenschaftliche Daten, die die BGE in erster Linie von den Staatlichen Geologischen Diensten abfragt und anschließend sichtet und aufbereitet. Dies sind beispielsweise Bohrungsinformationen, geologische Karten, bohrlochgeophysikalische sowie reflexionsseismische Messungen und vorhandene 3D-Modelle. ... In Phase I erhebt die BGE keine eigenen Daten in den Teilgebieten. Dies geschieht erst in Phase II durch die übertägige Erkundung der durch den Gesetzgeber festgelegten Standortregionen (§ 16 StandAG). Eine detailliertere Darstellung der Methodik zur Geosynthese inklusive Erläuterung anhand von Beispielen ist Anlage 1, Kapitel 5 zu entnehmen.
In der referenzierten Anlage 1 wird in Abschnitt 5.1.2 Bewertung der Datenlage und der geologischen Rahmenbedingungen auf den Umgang mit Bohrungen eingegangen. Bohrungen werden als direkte Nachweise angesehen, und durch zwei Kennzahlen beschrieben (DQL, DQN). Es ist nicht zu erkennen, wie die im Konzept beschriebene Sichtung und Aufbereitung stattfindet, beziehungsweise, was darin geschieht. Es ist daher nicht vollständig transparent, auf welcher Basis die Zahlen für DQL ermittelt werden. Die Vergabe von DQL ist schematisch dargestellt (Bildung von Mittelwerten).
DQN wird anhand der geographischen Lokation mathematisch ermittelt. Da Bohrungen jedoch in der Regel aus wirtschaftlichen Gründen abgeteuft werden, besteht das Risiko, dass lediglich von ähnlichen speziellen strukturellen Sachverhalten Informationen bereitgestellt werden. Die Anzahl und räumliche Nähe würden dann nicht die Variabilität im Gebiet abbilden.
Es ist nicht klar zu erkennen, wie mit dieser Vorgehensweise die vorhandenen geologischen Ungewissheiten effizient und effektiv reduziert werden, oder sich mit der Anwendung dieser Vorgehensweise auf Phase 2 vorbereitet wird.
Da die Wirtsgesteine nicht das Ziel der Bohrtätigkeit waren, wurden die ursprünglichen Daten und Interpretationen auch nicht erstellt, um zuverlässige Aussagen über das Wirtsgestein zu erstellen.
Das, was durch diese Bohrungen an Daten verfügbar ist, wird jetzt allerdings genutzt (da es nichts anderes gibt).
Das ist nicht das gleiche, als wenn das Wirtsgestein Ziel der Aktivität (im Fokus der Aufmerksamkeit) gewesen wäre.
Es besteht deshalb das Risiko, dass diese Informationen nicht hinreichend repräsentativ sind, um das Wirtsgestein im Untersuchungsgebiet ausreichend zu charakterisieren.
Es wird daher angeregt, aus Bohrungsdaten den größtmöglichen Nutzen zu ziehen. Diese Aktivität könnte in diesem Abschnitt von Phase 1 stattfinden, um so optimal auf Phase 2 vorbereitet zu sein.
Es wird angenommen, dass für ein definiertes Gebiet nur bedeutsame Bohrungen betrachtet werden, das heißt: Bohrungen, die relevant sind, weil sie das Wirtsgestein durchteuft haben (oder hätten durchteufen sollen), ohne Probleme zugänglich (effizient) sind, die dazugehörigen Daten und Interpretationen verstanden werden können, und dass sie rechtzeitig zur Verfügung stehen, um sie in der Bewertung nutzen zu können.
Eine Information aus einer Bohrung ist zuverlässig, wenn sie bedeutsam ist, das gewünschte/erforderliche Maß an Präzision hat, genau, gültig, und vollständig ist.
Bohrungen sind bedeutsam, weil sie das Äquivalent eines wissenschaftlichen Experimentes darstellen. Durch Anwendung wissenschaftlicher Prinzipien wird eine geologische Hypothese aufgestellt (Prognose). Diese Hypothese wird durch die Bohrung getestet.
Im Gegensatz zu einem naturwissenschaftlichen Experiment im Labor ist das Ergebnis nicht lediglich eine vollständige Bestätigung oder vollständige Wiederlegung der geologischen Prognose. Das Ergebnis drückt aus, inwieweit vorhandene Ungewissheiten im Untergrund reduziert wurden.
Ein erstes Anzeichen, wie gut die Geologie zum Zeitpunkt der Prognose verstanden worden war, ergibt sich aus dem Verhältnis von erfolgreichen zu nicht erfolgreichen Bohrungen.
Dies kann je nach Datenlage detaillierter betrachtet werden. Während im wirtschaftlichen Sinne „ein knapp vorbei“ in der Regel als Misserfolg deklariert werden muss, kann es sich geologisch um ein „kaum daneben“ handeln.
Ein erstes Ziel sollte eine 1D Darstellung des Wirtsgesteins in einem Maßstab sein, der es erlaubt, alle Eigenschaften darzustellen, die einen kritischen Einfluss auf die Eignung als Wirtsgestein haben. (Im Falle von Tongesteinen könnten dies (zum Beispiel) seltene, leicht zu übersehende 0,5cm mächtige höherpermeable Einlagerungen sein, die als Fluidwegsamkeiten dienen könnten.) Die geologischen Abwägungskriterien (StandAG §24) bilden eine gute Orientierung zu den Inhalten.
Dazu soll dokumentiert werden, wie zuverlässig dieses 1D Modell ist (Quelle der Daten, Interpretationen, Details werden weiter unten erläutert).
Es wird erwartet, dass keine direkten Nachweise in Form von Bohrkernen vorliegen.
Die einzigen direkten Nachweise sind daher Spülungsproben. Damit verbunden sind zahlreiche Interpretationsprobleme. Wie genau, vollständig und gültig ist die Beschreibung dieser Proben? Hat der Bearbeiter die Beschreibung lediglich zur Orientierung genutzt, wo er sich in der Prognose befindet, um Aussagen zum geologischen Bohrfortschritt machen zu können?
Die Probennahme ist nicht kontinuierlich. Hat er etwas übersehen (können)?
Wie zuverlässig ist die Beschreibung? Je nach Qualifikation ist die Detailtiefe beim Vorhandensein von (zum Beispiel) lediglich Splittern von Tongesteinen unterschiedlich. Diagenetisch umgewandelte Intrusivgesteine können unter einem Binokular wie marine Tonsteine aussehen. Sehr geringmächtige Einlagerungen werden oft übersehen, da sie nur einen sehr geringen Anteil in der Spülungsprobe bilden, oder beim Zeitpunkt der Entnahme vollständig fehlen.
Zudem werden relevante Eigenschaften, die nur im cm bis dm Bereich erkannt werden können, nicht verfügbar gemacht. Kristallingesteine sind nur schwierig zuverlässig zu identifizieren, wenn es sich zum Beispiel um Granite mit einer identischen Zusammensetzung wie Gneise handelt.
Elektrische Bohrlochmessungen liefern indirekte (petrophysikalische) Daten. Dies Daten werden interpretiert, um sie als geologische Information darstellen zu können. Die damit verbundenen Möglichkeiten, etwas nicht zuverlässig zu interpretieren, können Bücher füllen.
Über die letzten 50 Jahre hat sich die Präzision (Auflösung) und die Auswahl der Eigenschaften, die gemessen werden können, stark verbessert. Es kann trotzdem sein, dass dies weiterhin nicht ausreicht, um Wirtsgesteine zuverlässig charakterisieren zu können.
(Bei Gesteinen, die nirgendwo an der Oberfläche ausstreichen, werden deshalb in der Kohlenwasserstoffindustrie Gesteinskerne genutzt. Die Auswertung der Kerne erfolgt nicht nur in Form von Berichten mit Bildern, oder durch Laboruntersuchungen von Porosität und Permeabilität. Bearbeiter lernen am Kern selber Gesteinseigenschaften zu erkennen, zum Beispiel mehrere cm mächtige zementierte Bereiche, die auf den Bohrlochmessungen von Speichergesteinen nicht zu erkennen sind, Ichnofacies, die eine Einordnung in Ablagerungsmilieus ermöglichen, obwohl keine Fossilien vorhanden sind, und vieles andere mehr.)
Falls angenommen wird, dass in der entsprechenden Phase des Endlagersuchprozesses ausreichende Angebote für Messdienstleistungen vorhanden sein sollten, wird empfohlen, diese Hypothese sobald wie möglich zu testen. Das Angebot von Dienstleistern hat andere Zielgruppen mit anderen Anforderungen im Fokus.
Zusätzlich können weitere Daten vorliegen. Für eine Einschätzung der Ausdehnung einzelner Gesteinskörper in tonigem Wirtsgestein sind dies biostratigrafische Daten, die zusammen mit reflexionsseismischen Daten für sequenzstratigrafische Interpretationen genutzt werden. Vitrinitreflektionsmessungen lassen Rückschlüsse auf die diagenetische Geschichte zu.
In anderen Wirtgesteinen kann die Analyse von Flüssigkeits- und Gaseinschlüssen, Klüften, usw. bedeutsame Hinweise liefern.
Für jede bedeutsame Bohrung im Untersuchungsgebiet sollte daher eingeschätzt werden, wie zuverlässig die Informationen aus der Bohrung sind. Welche Präzision ist vorhanden: Auflösung im cm Bereich? dm Bereich? m Bereich? Gröber?
Wie vollständig ist die Information (die Formation ist nachgewiesenermaßen ungestört und vollständig durchteuft)?
Wie genau ist die Information (ein anderer Bearbeiter würde bei einer Bearbeitung zu denselben Ergebnissen kommen)?
Wie gültig ist die Information (inwieweit stimmt die Beschreibung mit der Wirklichkeit überein)?
Die Einschätzungen für Präzision, Vollständigkeit, … sind jeweils getrennt begründet zu dokumentieren. Dies ist zeitaufwändig, vor allem, wenn standardisierte Arbeitsprozesse erst erarbeitet werden müssen, mit denen die Gültigkeit der Ergebnisse überprüft werden kann. Ohne diese Einschätzungen kann die Qualität des vorhandenen Wissens leicht überschätzt werden. Als Resultat werden dann Prognosen erstellt, die deutlich unsicherer sind, als angegeben.
Die Ergebnisse dieser Arbeit bilden die Basis einer nachvollziehbaren Einschätzung der Ungewissheit über die Eigenschaften des Wirtsgesteins an der Lokation der Bohrung (ein lokales 1D Profil). Desto unzuverlässiger die Information, desto weniger Nutzen hat sie für die Bestimmung der Eignung eines Teilgebietes.
Ein besonders unangenehmes Problem sind fehlerhafte Beschreibungen, die nicht erkannt werden, weil sie den Vorstellungen des Bearbeiters/der Bearbeiterin entsprechen und deshalb als gültig bewertet werden.
Es wird angeregt, für die jeweilige einzelne Einschätzung Wahrscheinlichkeitswerte zu verwenden. Damit kann ausgedrückt werden, wie sicher sich der jeweilige Bearbeiter/die Bearbeiterin drüber ist, dass die Einschätzung gültig ist.
Da keine Kalibration möglich ist (die Bohrung wird nicht wiederholt, die Bohrungsdatenanalyse wird nicht wiederholt, es kann nicht herausgefunden werden, wie zutreffend die individuelle Einschätzung ist), wird empfohlen, zumindest auszugsweise Bohrungen durch eine oder mehrere BearbeiterInnen unabhängig voneinander einschätzen zu lassen.
Eine geringe Streuung würde auf eine erfolgreiche Umsetzung von standardisierten Arbeitsprozessen schließen lassen.
Der Vorteil dieser Vorgehensweise ist, dass im Arbeitsalltag das Bayes Theorem angewendet werden kann, um quantitativ darzustellen, ob, und wenn ja, wie sich die Ungewissheiten durch den Erwerb von Daten und den darauf aufbauenden Tätigkeiten reduziert haben.
Falls das Wirtsgestein in der geografischen Nähe aufgeschlossen ist (Steinbruch, Tongrube, Bergwerk) kann die Zuverlässigkeit durch detaillierte geologische Gesteinsaufnahmen kalibriert werden. Dabei werden Bohrungen simuliert. In der Regel wird dabei so vorgegangen, dass in dem Aufschluss an einer Lokation ein 1D Profil angefertigt wird. Mit diesem 1D Profil wird eine Vorhersage gemacht, wie ein 1D Profil an einer anderen Stelle in dem Aufschluss aussieht.
Zusätzlich wird eingeschätzt, wie zuverlässig diese Vorhersage ist.
Danach wird durch einen anderen Mitarbeiter/ eine andere Mitarbeiterin an dieser anderen Stelle ein weiteres 1D Profil angefertigt. Das Resultat wird mit der Vorhersage verglichen.
Die Unterschiede werden analysiert. Handelt es sich um andere Gesteine, oder sprechen die unterschiedlichen BearbeiterInnen das gleiche Gestein anders an?
Dies ermöglicht eine erste Aussage zur Gültigkeit der Einschätzung der Zuverlässigkeit. Im Anschluss wird erneut eine Vorhersage gemacht, wie ein weiteres 1D Profil an einer anderen Stelle in dem Aufschluss aussieht. Es wird wieder ein anderer Mitarbeiter/ eine andere Mitarbeiterin eingesetzt, um das neue 1D Profil zu erheben.
Danach wird erneut ausgewertet. Als Resultat wird ein Eindruck davon gewonnen, wie gültig Einschätzungen und Vorhersagen sind.
In der Praxis ist dies oft schwierig umzusetzen, weil die Aufschlüsse relativ klein sind, und die Abstände zwischen den Profilen nicht ausreichend groß sind, um Unsicherheiten zu adressieren. Veröffentlichungen, die dieses Problem adressieren, nutzten daher in der Regel kilometerlange Klippen, oder kilometerlange Stollen in Bergwerken. Die Darstellungen sind sehr detailliiert, damit die Einschätzungen nachvollzogen werden können, ohne vor Ort zu sein.
Weil schwierig sein kann, in Deutschland Aufschlüsse für Wirtsgesteine zu finden, die diesen Ansprüchen genügen, sollte frühzeitig damit begonnen werden, sich zu überlegen, wie dies umgesetzt werden könnte.
Eine enge Kollaboration mit KollegInnen der jeweils zuständigen Landesämter (inkl. Teilnahme an der praktischen Umsetzung) würde sicherstellen, dass nach einiger Zeit alle wissen, was der/die jeweils andere meint, wenn er/sie über den Sachverhalt spricht.
Falls das Wirtsgestein in der geografischen Nähe nicht aufgeschlossen ist, müssen analoge Vorkommen in anderen Teilen der Welt genutzt werden.
In allen Fällen muss die Zuverlässigkeit der Daten und Interpretationen eingeschätzt werden können. Dies ist deutlich unzuverlässiger, da Fragestellungen nicht im Dialog geklärt werden können.
Die Ergebnisse dieser Art der Betrachtung würden außerdem sequenzstratigrafische Reinterpretationen der vorhandenen reflexionsseismischen Daten unterstützen.
Aufgrund der relativ geringen Bohrtätigkeit in Deutschland wird angenommen, dass viele Daten nicht in einem lesbaren digitalen Format vorliegen. Die Digitalisierung könnte direkt beginnen, nachdem man weiß, was später genutzt werden soll, und wie zuverlässig dies wohl ist (zum Beispiel für Szenarien in einer Monte Carlo Simulation).
Aus den Einschätzungen der Zuverlässigkeit könnte zudem abgeleitet werden, welcher Art von Datenerwerb notwendig ist, um in Phase 2 eine hinreichende Sicherheit dafür zu erlangen, dass die geologischen Eigenschaften des Wirtsgesteins für einen Standort hinreichend zuverlässig vorhergesagt werden können.
Die Geschichte der Lagerstättenexploration enthält zahlreiche Beispiele dazu, wo als Konsequenz fehlender Detailarbeit das wirtschaftliche Potential eines Gebietes nicht gut genutzt wurde, weil die notwendigen Erkenntnisse erst dann gewonnen wurden, als der Zeitraum der Explorationslizenz fast oder ganz abgelaufen war.
Durch die Nutzung von öffentlich zugänglichen Aufschlüssen könnte zudem die Art der Bürgerbeteiligung verbessert werden. Das können auch Salzbergwerke sein. Ein Wirtgestein kann dadurch unmittelbar erfahrbar sein, und nicht ein abstrakter theoretischer Begriff in einer schwer lesbaren Dokumentation.
Die BürgerInnen können selbst entscheiden, in welche Richtung sie in dem Aufschluss sehen wollen, wohin sie gehen wollen, und was sie angesprochen und erklärt haben wollen. Direkt vor Ort kann gelernt werden, wie das beschrieben wird, was gesehen wird, so dass ein anderer an einer anderen Stelle weiß, wovon gesprochen wird.
Es könnten Fragen beantwortet, und Missverständnisse beseitigt werden. Es kann erklärt werden, wie sich das Gestein an der Oberfläche (Verwitterung etc.) von dem unter Tage unterscheidet.
Es folgt nun zur Illustration ein kurzer fiktiver Sachverhalt (Stichworte: Bohrlochdaten, Interpretation, Beobachtung, Orientierung, Beurteilung, Entscheidung). Das reale Leben ist sehr viel detaillierter und komplizierter.
Sie sind mit einer Dateneinsicht beauftragt, damit Ihr Arbeitgeber sich entscheiden kann, ob er ein Beteiligungsangebot in der Ölindustrie annimmt. Sie erhalten vom Betriebsführer Einsicht in Daten von drei Bohrungen, in denen in einer 250 Meter mächtigen Speichergesteinsformation, die zu 80% aus grauen und graubraunen Tongesteinen besteht, in 10 bis 20 Meter mächtigen Sandsteinlagen erfolgreich Öl-Zuflüsse getestet wurden. Die Sandsteinlagen sind vollständig mit Öl gefüllt. Bohrlochmessungen, und reflexionsseismische Daten werden zur Verfügung gestellt. Auf den reflexionsseismischen Daten kann die Formation kartiert werden, nicht aber die einzelnen Sandsteinlagen.
Dies sind Daten und Interpretationen, die direkt beobachtet werden können.
Sie wissen aus Scoutinformationen, dass sich in dem Lizenzgebiet eine vierte Bohrung befindet. Auf Nachfrage ergibt sich, dass die Formation dort in einer anderen Fazies (grüne und grünbraune Tongesteine) vorkommt, und keine Sandsteinlagen angetroffen worden sind. Alle Bohrungen werden bis zu der gleichen Formation abgeteuft, die auf den reflexionsseismischen Daten zuverlässig zu identifizieren ist.
Auf Nachfrage stellt sich heraus, dass die verfügbaren biostratigrafischen Daten keine Gewissheit darüber bringen, ob die identisch aussehenden Sandsteinlagen zur gleichen Zeit abgelagert wurden.
Anhand der reflexionsseismischen Daten vermuten Sie, dass das ursprüngliche Explorationsziel eine unterlagernde Struktur war, die sich in den Bohrungen als wasserführend herausgestellt hat.
Dies sind Daten und Interpretationen, die Ihnen helfen, sich in dem Sachverhalt orientieren zu können.
Um den Sachverhalt beurteilen zu können, entscheiden Sie sich dazu, eine eigene sequenzstratigrafische Interpretation zu erstellen. Neben den reflexionsseismischen Daten nutzen Sie dazu Änderungen in der Impedanz und der natürlichen Radioaktivität in der Speichergesteinsformation, wie sie durch die Bohrlochmessungen aufgezeichnet wurden.
Nach ihrer Einschätzung hat die vierte Bohrung nicht die Formation in einer anderen Fazies durchteuft, sondern einen Intrusivkörper, dessen Geometrie nicht ermittelt werden kann, da er die gleichen reflexionsseismischen Eigenschaften wie die Lagerstättenformation hat.
Als Ergebnis der sequenzstratigrafischen Interpretation schätzen Sie das ursprüngliche Ablagerungsmilieu, und basierend darauf, die möglichen Dimensionen der lateralen Ausdehnung der einzelnen Sandsteinlagen ein. Dies ermöglicht Ihnen eine Abschätzung möglicher Speichergesteinsvolumen und basierend darauf, eine Abschätzung der Menge des vorhandenen Öls.
Damit ausgerüstet begutachten Sie die Zufluss-Testdaten. Die dort beobachteten Druckänderungen unterstützen Ihre Einschätzung, dass das mit jeder Bohrung verbundene Ölvolumen gering ist.
Sie beurteilen daher den Einstiegspreis in dieses Vorhaben als nicht gerechtfertigt. Sie präsentieren Ihre Ergebnisse dem Entscheidungsgremium Ihres Arbeitgebers, zusammen mit der Art und Größe der eingeschätzten Ungewissheiten, damit dieses eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen kann.