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Arbeitsstand zu den Methoden rvSU
#5
Kommentar zu 8.7.6 Relevanz der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien (§ 7 Abs. 4 EndlSiUntV)
 
In dem Kommentar wird darauf verwiesen, dass „Eine detailliertere Darstellung der Methodik zur Ermittlung der Relevanz der geoWK ist Anlage 1, Kapitel 8.8 zu entnehmen“. In Kapitel 8.8.2 ist die „Mögliche Vorgehensweise zur Bearbeitung der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien Relevanz“ dargestellt.
 
Jedes der geologischen Abwägungskriterien stellt ein Risiko für den sicheren Betrieb des Endlagers dar. Es ist nachvollziehbar, dass die Erarbeitung mit den Kriterien 1 bis 4 begonnen wird, da die restlichen Kriterien nicht betrachtet werden müssen, wenn diese Einschätzung ergibt, dass ein Teilgebiet diese Kriterien nicht erfüllt.
Für eine zuverlässige Einschätzung des Transportes radioaktiver Stoffe durch Grundwasserbewegungen im einschlusswirksamen Gebirgsbereich, der Konfiguration der Gesteinskörper (Barrieremächtigkeit), der räumliche Charakterisierbarkeit (wie sicher kann vorhergesagt werden, welcher Typ von Gestein in welcher Ausprägung vorhanden ist) und der langfristigen Stabilität der günstigen Verhältnisse sind allerdings zuverlässige geologische Kenntnisse notwendig.
Die sind häufig deshalb nicht vorhanden, weil Gebiete nur deshalb ausgeschlossen werden konnten, weil ausreichend Daten, und darauf basierend, hinreichend verlässige Kenntnisse (Bohrungen, Reflexionsseismik) vorhanden waren, mit den die fehlende Eignung bestimmt und begründet werden konnte.
 
Bohrungen durch wirtschaftliche Betriebe zielen in der Regel auf Gesteine mit einer hohen Gebirgsdurchlässigkeit, in Strukturen, die nur deshalb vorhanden sind, weil das Gebiet tektonisch verformt ist. Dies bedeutet in der Regel eine Verletzung der Mindestanforderungen 4 und 5.
 
Ein Gebiet ohne Struktur und ohne wirtschaftliche Ziele (Öl, Gas, Mineralbrunnen, …) bietet keine Grundlage für eine wirtschaftliche Exploration. Selbst der Erwerb von reflexionsseismischen Daten ist nur zu rechtfertigen, wenn damit Strukturen so weit definiert werden können, dass eine Prospektbewertung (inkl. Volumenabschätzung) durchgeführt werden kann.
Wissenschaftliche Tiefbohrungen sind in Deutschland rar.
 
Bei mangelnden Kenntnissen muss es daher für jedes Wirtsgestein eine andere Herangehensweise geben. Da für die Kriterien 1 bis 4 in allen Fällen die geologischen Verhältnisse zuverlässig bestimmt werden müssen, könnte auch eine Bestimmung des Kriterium 11 (des Schutzes des einschlusswirksamen Gebirgsbereichs durch das Deckgebirge) gleich mit erledigt werden.
 
Beispiele:
 
Teilgebiete im Tongestein sollten möglicherweise eher im Fokus der Untersuchung sein, wenn sie keine oder kaum geologischen Daten aus Bohrungen und Reflexionsseismik enthalten, weil jemand anderes das Gebiet schon vorher bewertet hat (unter Nutzung des Gegenteils der Mindestanforderungen) und sich als Ergebnis entscheiden hat, in diesem Gebiet keine Explorationstätigkeiten (Datenerwerb) durchzuführen.
 
Bei Teilgebieten im Kristallin ist die Zuverlässigkeit von Vorhersagen gering, weil reflexionsseismischen Daten nichts über die interne Struktur in der Tiefe verraten. Andererseits ist dies auch nicht im Fokus, sondern die Vorhersage der Klüftigkeit. Dazu gibt es seit über 40 Jahren Projekte in Deutschland, die dies im Kristallin untersucht haben (Geothermie). Die projekte haben wiederum Gebiet im Fokus gehabt, wo bekannt war, dass viel Klüfte vorhanden sind: nicht das, was ein Endlager auszeichnen sollte. Wie beim Tongestein, sollte überlegt werden, ob Gebiete mit kaum oder keinen Daten eher die Anforderungen erfüllen würden, weil sie jemand (unter Nutzung des Gegenteils der Mindestanforderungen) kein wirtschaftliches Potential erkannt hat.
 
Bei Teilgebieten in Salzgesteinen (steile Lagerung) sind zwar reflexionsseismische Daten vorhanden, die ermöglichen aber keine Interpretation der internen Geometrie. Zudem gab es in der Regel eine fortlaufende Beeinflussung der überlagernden Schichten und daher keine zuverlässig nachweisbare Abdeckung über dem Salzstock (Kriterium 11 wird verletzt). Die Daten von Gorleben haben gezeigt, wie fundamentale Defizite bestätigt werden können. Eine Kartierung der Oberflächengeologie und einfache Modellierung der Grundwasserbewegungen ergab, dass es nur einige 10.000 Jahre dauert, bis Wasser direkt von oberhalb des Salzstockes die wasserführenden Schichten erreicht, die in einem direkten Kontakt mit der Biosphäre sind (möglicherweise dauert es auch ein paar 1000 Jahre länger).  Das kostet weniger als 0,1 Prozent dessen, was dann für die Erkundung von ausgegeben wurde.
 
Bei Teilgebieten mit flachlagernden Salzgesteinen könnte alles funktionieren, wenn die Mächtigkeitsabfolgen der einzelnen Lagen zuverlässig bestimmt werden können. Es ist damit natürlich nicht gesagt, dass sich daraus mögliche Endlagerstandorte ergeben können.
Dazu müssen die anderen Kriterien zuverlässig beurteilt werden können. Die können aber nur mit geologischen Kenntnissen der Kriterien 1 bis 4 und einer Modellierung ermittelt werden, weil sie alle durch die Ausgestaltung des Endlagers und dessen Einfluss auf das Wirtsgestein bestimmt werden:
-       die gebirgsmechanischen Eigenschaften (ändern sich durch das Erstellen von Hohlräumen)
-       die Neigung zur Bildung von Fluidwegsamkeiten (ändert sich durch das Erstellen von Hohlräumen und subsequenter Eintrag von Wärme)
-       die Neigung zur Gasbildung (ändert sich durch den subsequenten Eintrag von Wärme)
-       die Temperaturverträglichkeit (ändert sich durch das Erstellen von Hohlräumen und subsequenter Eintrag von Wärme)
-       die Bewertung des Rückhaltevermögens im einschlusswirksamen Gebirgsbereich (ändert sich durch das Erstellen von Hohlräumen und subsequenter Eintrag von Wärme)
-       die Bewertung der hydrochemischen Verhältnisse (ändert sich durch das Erstellen von Hohlräumen und subsequenter Eintrag von Wärme).
 
Dieser Sachverhalt ist wahrscheinlich sehr unsicher, weil es bisher möglicherweise kein Modell gibt, was anschließend durch die Wirklichkeit bestätigt wurde. Ich habe keine Unterlagen dazu gefunden, dass eine Wärmequelle von der Größe eines realen Abfallbehälters (ohne Abfall, aber mit der Eigenschaft, Wärme abzugeben) in einem der Wirtsgesteine eingelagert wurde, und die Auswirkungen auf die Kriterien 5 bis 10 beobachtet und gemessen wurden, und dies mit den Vorhersagen dazu verglichen wurde, was hätte eintreten und beobachtet werden sollen. Vielleicht ist dies ja in Gorleben geschehen. Platz und Zeit gab es genug.
 
In diesen Sachverhalt greift die EndlSiUntV ein, die verlangt, zu bestimmen, welche Relevanz die einzelnen Indikatoren der einzelnen Abwägungskriterien nach den Anlagen 1 bis 11 des Standortauswahlgesetzes für die Beurteilung des jeweiligen Endlagersystems haben.
 
Für die Sicherheitsfunktion sind alle relevant, weil sie jeweils ein bestimmtes Risiko abbilden, dass ein Endlager undicht werden kann. Dies ist wie eine Kette. Es reicht aus, wenn das schwächste Glied reißt.
 
Die EndlSiUntV motiviert jedoch, Begründungen dafür zu finden, warum Auswahlen getroffen werden.
Je nach mentalem Modell, welche Explorationsstrategie vielversprechender ist, sind Gebiete mit geringem Kenntnisstand oder mit gutem Kenntnisstand relevanter als jeweils andere Gebiete.
 
Es ist sehr unwahrscheinlich, dass die vorhandenen Daten für zuverlässige Vorhersagen ausreichen.  
 
Zudem kann die Relevanz des Potenzials zum Erkenntnisgewinn erst ermittelt werden, wenn in der Exploration bereits etwas gelernt wurde. Es wurden Vorhersagen gemacht, die durch Ereignisse bestätigt werden konnten (oder nicht).
 
Dies bedeutet, dass Wahrscheinlichkeiten ermittelt und dokumentiert werden müssen, die darstellen, wie zuverlässig die jeweiligen Vorhersagen sind. Wenn 5 Vorhersagen gemacht wurden, und die Wahrscheinlichkeit, dass die jeweilige Vorhersage zuverlässig ist, mit jeweils 0,8 angegeben wurde (man ist sich ziemlich sicher), die Vorhersage jedoch nur in 3 Fällen zutraf, dann wird der Kenntnisstand überschätzt.
Vorhersagen unter 0,8 sind ziemlich ineffektiv, weil man schnell in die Richtung rutscht, wo die Ergebnisse auch zufällig richtig oder falsch sein können.
Ohne eine Rückmeldung aus einem Ergebnis meint man aber, alles richtig zu machen.
 
Die Relevanz des Potenzials zum Erkenntnisgewinn kann daher erst dann bestimmt werden, wenn herausgearbeitet wurde, welche Aktivität (Datenerwerb etc.) die Zuverlässigkeit der Vorhersagen erhöhen kann, wie sie dies tut, und wie dies die Qualität Kriterien 5 bis 10 für die Modellierung erhöht.


(Da der Platz nicht ausreicht, wird der Beitrag im nächsten Eintrag fortgesetzt.)

--> Kommentar zu 8.7.6 Relevanz der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien (§ 7 Abs. 4 EndlSiUntV) - Teil 2

Tabelle 78 (Blatt 591) stellt Klassen zur Darstellung der Relevanz eines Indikators bzw. geowissenschaftlichen Abwägungskriteriums dar. „Die Bewertung der Relevanzaspekte erfolgt in Analogie zur Vorgabe bei der Abwägung mit den geowissenschaftlichen Abwägungskriterien verbalargumentativ. Es wird ein möglichst formalisiertes Vorgehen gewählt, um eine gute Nachvollziehbarkeit und Vergleichbarkeit der Bewertung zu ermöglichen. Das Vorgehen zur Bewertung der drei Relevanzaspekte wird im Folgenden beschrieben. Für alle drei Relevanzaspekte wird jeweils eine Bewertung in i) gering, ii) mittel oder iii) hoch durchgeführt.“

Auf der nächsten seite wird dies dann erläutert.

Der beschriebene Prozess könnte deutlich an Transparenz gewinnen, wenn hier an einem Beispiel dargestellt würde, wie bei einem Indikator zwischen einer hohen Bedeutung und einer anderen Bedeutung (mittel, gering) unterschieden wird. Dem StandAG ist dies nicht zu entnehmen.

Ein Beispiel:
Kriterium 3 (Bewertung der räumlichen Charakterisierbarkeit) enthält die folgenden Indikatoren:
-       Variationsbreite der Eigenschaften der Gesteinstypen im Endlagerbereich
-       Räumliche Verteilung der Gesteinstypen im Endlagerbereich und ihrer Eigenschaften
-       Ausmaß der tektonischen Überprägung der geologischen Einheit
-       Gesteinsausbildung (Gesteinsfazies)

Wie oben beschrieben, reicht eine beliebige Einstufung in eine ungünstige Wertungsgruppe, um ein erhebliches Risiko dafür zu erzeugen, dass Modelle, die die Indikatoren und geologischen Abwägungskriterien 5 bis 10 ermitteln, unzuverlässige Ergebnisse liefern.

Nach den verfügbaren Informationen wurde in der BGE bisher allerdings auf der Basis von zugelieferten Daten und Interpretationen gearbeitet.
Es ist in der Beschreibung nicht zu erkennen, inwieweit aus diesen zugelieferten Daten und Interpretationen eine Beurteilung und Bewertung dazu vorgenommen werden kann, in welchem Maße bestimmte einzelne Daten und Interpretationen der Indikatoren es zulassen, die Bedeutung zuverlässig in hoch, mittel, oder niedrig einzustufen.
 
Einen kleinen Einblick geben die für jedes Teilgebiet angefertigten Sachverständigen-Berichte für das NBG: die Gutachten zu den Auswahlkriterien für das Gebiet zur Methodenentwicklung
(GzM) und deren Eignung des ausgewählten GzM für die Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen (rvSU) in den jeweiligen Wirtsgesteinen (verlinkt im Konzept zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gemäß Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung: Kapitel 3 Vorgehen zur Methodenentwicklung für die Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen: …Diese sogenannten Gebiete zur Methodenentwicklung sind: • Teilgebiet 001_00 (Tongestein, Opalinuston) • Teilgebiet 035_00 (Steinsalz in steiler Lagerung, Salzstock Bahlburg) )…)
 
Zum Beispiel führt das Gutachten für das Wirtsgestein „Tongestein“ 25 Empfehlungen auf. Elf davon adressieren den Umgang mit den Indikatoren in diesem Abwägungskriterium. 

Es ist in der Beschreibung der Vorgehensweise in Anlage 1 nicht zu erkennen, ob, oder inwieweit diese Empfehlungen umgesetzt wurden.
 
Es ist lediglich angegeben, dass: „die Bewertung der Relevanzaspekte erfolgt in Analogie zur Vorgabe bei der Abwägung mit den geowissenschaftlichen Abwägungskriterien verbalargumentativ“.
 
Für die Transparenz wäre es sehr hilfreich, wenn zumindest einige Beispiele der verbalargumentativen Entscheidungsfindung dokumentiert zur Verfügung gestellt würden. (Es wird davon ausgegangen, dass alle Details einer verbalargumentativen Entscheidungsfindung in geeigneter Form dokumentiert worden sind, damit bei Bedarf schnell alle diejenigen Entscheidungen neu bewertet werden können, in denen Argumente verwendet wurden, die sich zu einem zukünftigen Zeitpunkt im Verfahren als fehlerhaft herausgestellt haben. Ansonsten wäre es schwierig, zu verhindern, dass der Fehler wiederholt wird.)
 
Ohne diese Darstellung ist das Konzept zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gemäß Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung nicht nachzuvollziehen.



 
Sicherlich machen gute Kenntnisse es einfacher möglich, eine zuverlässige Einstufung in die Bewertungsgruppen vorzunehmen.


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RE: Arbeitsstand zu den Methoden rvSU - von MartinW - 07.04.2022, 17:26

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