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Arbeitsstand zu den Methoden rvSU
#20
(06.04.2022, 14:34)MartinW schrieb: Kommentar zu 8.7.2 Ableitung der zu erwartenden und abweichenden Entwicklungen des Endlagersystems (§ 7 Abs. 6 Nr.1 EndlSiUntV) 

Hallo MartinW., danke für den Kommentar mit der laufenden Nummer #4.
  
Das Standortauswahlgesetz, die Endlagersicherheitsanforderungsverordnung und die Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung basieren auf der Prämisse, dass die Lagerung hochradioaktiver Abfälle in tiefen geologischen Strukturen unter Sicherheitsaspekten aktuell keine gangbare Alternative hat. Trotz der Ungewissheiten, die mit der künftigen Entwicklung eines Endlagers einhergehen, muss also dennoch eine Entscheidung für einen Standort und die zugehörigen technischen Lösungen getroffen werden.
Die konkrete Zukunft eines solchen Endlagers ist nicht vorhersagbar. Aus einer Zusammenschau geowissenschaftlichen Wissens, technischer Kenntnisse und von Analogieschlüssen lassen sich dennoch Aussagen darüber treffen, welche Entwicklungen zu erwarten wären. Der in Betracht gezogene „Zukunftsraum“ wird mit der Diskussion der abweichenden Entwicklungen noch weiter gefasst. Dies erfolgt nach dem aktuellen Wissensstand. Das Standortauswahlgesetz trägt zusätzlich möglichen künftigen Erkenntnissen Rechnung, indem die Möglichkeit der Rückholung der Abfälle während des Einlagerungsbetriebs, und die Möglichkeit der Bergung der Abfälle für 500 Jahre nach Verschluss des Endlagers vorzusehen sind.
Ein Beispiel für geogene Prozesse, für die üblicherweise Eintrittswahrscheinlichkeiten vergeben werden, sind Erdbeben. Die zugrundeliegenden Beobachtungen reichen mehr als tausend Jahre zurück – eine lange Zeit, und doch ein kurzes Zeitfenster mit begrenzter Aussagekraft für den Bewertungszeitraum von 1 Million Jahren. Die Überfahrung großer Teile Deutschlands durch Gletscher war lange Zeit nicht denkbar, da nichts Vergleichbares je beobachtet worden war. Heute ist diese Vergangenheit akzeptiert, doch die Vorgänge, die mit zu erwartenden künftigen Vereisungen einhergehen werden, sind nie beobachtet worden. Begründete Experteneinschätzungen übernehmen hier die Funktion, die nicht empirisch-statistisch berechenbaren künftigen Entwicklungen als zu erwartende oder abweichende (oder gar hypothetische) Entwicklungen einzustufen.
In der Ermittlung der notwendigen technischen Lösungen ist entscheidend, welche Entwicklungen, die sich (jetzt in Phase I) aus der Geologie ergeben, zu erwarten sind, da für diese vorrangig ein sicheres System hergestellt werden muss. Dadurch soll sichergestellt werden, dass die aufgewendeten Ressourcen zur Sicherung des Endlagers nicht der Absicherung gegen – nach menschlichem Ermessen – sehr unwahrscheinliche Extremfälle verwendet werden, schlimmstenfalls sogar auf Kosten der Optimierung gegenüber der – nach menschlichem Ermessen – wahrscheinlichsten Fälle. Dies ergibt sich notwendigerweise daraus, dass keine unbegrenzten Ressourcen zur Verfügung stehen und manche Lösungen entgegengesetzte Wirkungen entfalten können.
 
Viele Grüße, Ihre BGE

(19.05.2022, 21:49)MartinW schrieb: Ein allgemeiner Kommentar zum Konzept
 

Hallo MartinW,
vielen Dank für den allgemeinen Kommentar zum Konzept mit der Nummer #14.
  
In Phase I des Standortauswahlverfahrens sind die von Ihnen angesprochenen Sachverhalte eine besondere Herausforderung, da günstige Standortregionen für die übertägige Erkundung auf Basis der bestehenden Information ermittelt werden müssen. Hierbei werden seitens der BGE keine eigene Daten, z. B. durch Erkundung, erhoben. Bei der Nutzung von Fremddaten sind diese Ungewissheiten im Vergleich zu Daten, die im Rahmen der übertägigen Erkundung gewonnen werden, sicherlich deutlich größer. Der Grund ist, dass Fremddaten einerseits nicht für die Fragestellungen der Endlagerung erhoben wurden und andererseits die Datenerhebung häufig Jahrzehnte in der Vergangenheit liegt, wodurch oftmals Informationen verloren gehen.
Die BGE wertet für die Ermittlung von Standortregionen große Datenmengen für die gebietsspezifische Bewertung aus. Diese werden insbesondere von den Staatlichen Geologischen Diensten abgefragt um im Bereich Standortauswahl systematisch gesichtet und auf Plausibilität geprüft zu werden. Im Rahmen umfangreicher Digitalisierungskampagnen durch die BGE werden Datenbestände für das Standortauswahlverfahren nutzbar gemacht, die bisher nur analog vorlagen. Durch das mehrphasige Standortauswahlverfahren können mithilfe eigener Datenerhebungskampagnen in den Phasen II und III systematisch Kenntnislücken geschlossen und Ungewissheiten minimiert werden.
In Bezug auf den aktuellen Verfahrensschritt, finden sich in der Anlage zum Konzept zu den repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen (BGE 2022b) im Kapitel 5.1 „Umgang mit heterogener Datenlage“ und Kapitel 10 „Bewertung von Ungewissheiten (§ 11 EndlSiUntV)“ ausführliche Erläuterungen, wie Daten und Informationen beurteilt werden und wie mit Ungewissheiten umgegangen wird.
In Ihren Punkten 5 bis 8 zu den Daten sprechen Sie wichtige Aspekte an, die uns in der fachlichen Arbeit beschäftigen. Im täglichen Umgang mit den Geodaten im Rahmen der Standortsuche werden viele dieser Aspekte bereits berücksichtigt. Beispielsweise setzen wir den von Ihnen angesprochen Punkt 7 in der Praxis um, indem wir in einzelnen Gebieten reflexionsseismische Daten neu interpretieren (siehe eigene Interpretation des Salzstock Bahlburg, Abbildung 72 in BGE 2022b) oder sogar die vorhandenen Rohdaten mit modernen Methoden reprozessieren.
 
Literatur:
BGE (2022b): Methodenbeschreibung zur Durchführung der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen gemäß Endlagersicherheitsuntersuchungsverordnung. Peine: Bundesgesellschaft für Endlagerung mbH

(07.04.2022, 17:26)MartinW schrieb: Kommentar zu 8.7.6 Relevanz der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien (§ 7 Abs. 4 EndlSiUntV)

Hallo MartinW,
vielen Dank auch für diesen Kommentar mit der Nummer#5.
   
Zu 1.
Ziel der aktuellen Arbeiten ist es günstige Standortregionen für die übertägige Erkundung vorzuschlagen. Die Bewertung der Gebiete erfolgt ausschließlich anhand bestehender Daten, die größtenteils nicht für die Fragestellungen der Endlagerung gewonnen wurden. Dadurch liegen für die Gebiete, speziell für die Fragestellungen die in den Anlagen 5 bis 10 adressiert werden, oftmals keine lokalspezifischen Informationen vor. Deshalb werden hier viele Bewertungen voraussichtlich anhand von überschlägigen Abschätzungen oder Analogiebetrachtungen durchgeführt werden. Das dafür notwendige Verständnis wird ggf. durch generische Modelle, in denen die von Ihnen aufgezeigten gekoppelten Prozesse berücksichtigt werden, unterstützt werden können. Wichtig ist hierbei, dass Temperaturentwicklungen durch den Zerfall der Radionuklide nicht über den Bewertungszeitraum von einer Million Jahren anhalten, sondern dass der thermische Initialzustand bereits nach einigen wenigen 10.000 Jahren wieder hergestellt ist.
Zu den thermischen Auswirkungen auf Barrieregesteine gab und gibt es mehrere aufwendige Experimente unter in-situ Bedingungen. Beispielsweise startete bereits 1999 im Untertagelabor in Mont Terri das „Heater Experiment B (HE-B)“ um die thermisch-hydraulisch-mechanisch gekoppelten Prozesse im Opalinuston zu erforschen. Sollten Sie zu diesen Experimenten weitere Hinweise für Informationsquellen benötigen stellen wir diese gerne zur Verfügung.
 
Zu 2.
Das dargestellte Konzept stellt das übergeordnete methodische Vorgehen zur Bewertung der Relevanz der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien dar. Dabei wird die Bedeutung des Kriteriums für die Sicherheitsfunktionen, der aktuelle Kenntnisstand der lokalen Sachverhalte zum jeweiligen Abwägungskriterium und das Potential für den Erkenntnisgewinn betrachtet.
Speziell die Beurteilung des aktuellen Kenntnisstands dient dazu zu beurteilen, ob ausreichend Information vorliegen, um eine sichere Einstufung in die Wertungsgruppen vornehmen zu können. Dies wird dann in der Gesamtbeurteilung der Relevanz in einem Gebiet für das jeweilige Kriterium berücksichtigt.
Zu 3.
Bezüglich der Relevanz der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien hat die BGE erste Ansätze publiziert und führt aktuell weiterführende Arbeiten durch bei denen die Konzepte ausführlich getestet und umgesetzt werden. Die Relevanz der geowissenschaftlichen Abwägungskriterien, die in den repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen ausgearbeitet wird, ist vor allem wichtig für die geowissenschaftliche Abwägung selbst. Hierzu plant die BGE weitere Veröffentlichungen methodischer Konzepte.
Die Hinweise aus den NBG-Gutachten nimmt die BGE sehr ernst und berücksichtigt diese in den laufenden Arbeiten und methodischen Entwicklungen, sofern wir die inhaltlichen Einschätzungen teilen. Die Hinweise aus dem angesprochenen Gutachten beziehen sich aus Sicht der BGE jedoch nicht auf die Beurteilung der Relevanz oder einer Wichtung wie im Kommentar oben angedeutet, sondern sind aus unserer Sicht Hinweise und Anregungen zur Auslegung der Kriterien.

Viele Grüße,
Ihre BGE


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RE: Arbeitsstand zu den Methoden rvSU - von bge_moderator - 24.06.2022, 15:48

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