Transparenz, ohne dass dann mit den dadurch gewonnenen Einsichten irgendetwas angefangen werden kann, wird in der Regel als sinnlos empfunden. Ein Beispiel ist die jetzt stattfindende Beteiligung an der Suche für eine Endlager für hochradioaktive Abfälle. Die BGE macht zu ihrer Arbeit in diesem Sachverhalt sehr viele Informationen verfügbar. Es entsteht trotzdem nicht der Eindruck von Transparenz. Obwohl von BGE, BASE und NBG erheblicher Aufwand betrieben wird, ist die Beteiligung aus der Bevölkerung sehr überschaubar. Sie erreicht nur eine intrinsisch interessierte Minderheit der Öffentlichkeit. Ein Beispiel dafür sind die in den Medien kommunizierten Reaktionen auf die Benennung des Standortes für die Endlagerung von hochradioaktivem Abfall in der Schweiz. Die Existenz des Beteiligungsprozesses in Deutschland ist in der Berichterstattung nicht wahrnehmbar.
Im Kontext mit der Asse hätte ich eine wahrnehmbare Beteiligung von lokalen Anwohnern erwartet, da sie konkret von der Umsetzung der Lösung betroffen sind. Eine Transparenz, die allerdings darin mündet, dass man selbst nicht aktiv werden kann, wird in der Regel als wenig sinnvoll empfunden. Was soll man zu den baulichen Maßnahmen und zum Strahlenschutz groß sagen? Dies und anderes im Sachverhalt, ist etwas, was man selbst nur unzureichend versteht, und wo man sich darauf verlassen muss, dass die Erklärung dessen, was man sieht, richtig ist. Das kann funktionieren, wenn die Erklärung von jemandem kommt, der ein hohes Vertrauen genießt. Im Umgang mit der Einlagerung von radioaktivem Abfall besteht allerdings (aufgrund der bisherigen Geschichte) oft nur ein eingeschränktes Vertrauen.
Dieses eingeschränkte Vertrauen geht mit einem Misstrauen einher. Dies wird nicht dadurch beseitigt, indem zu bestimmten Themen eine Fülle von Dokumenten im Original bereitgestellt wird. Das Format dieser Originaldokumente ist oft ungeeignet für eine allgemeine Leserschaft. Es gibt auch keine Anleitung, wie sie zu lesen sind, und wie sie zu dem Verständnis des Sachverhalts beitragen. Der interessierte Mitbürger/die Mitbürgerin wird zudem ziemlich sicher Fragen haben: Warum, Was, Wer, Wie, Wann, Wieviel, Woher, Wohin?
Damit diese Fragen nicht nur gestellt werden, sondern beantwortet werden können, ist die jetzige Struktur des Informationsaustausches wenig hilfreich. Man verliert sich schnell und ist sich unsicher, ob die Information, die man sucht, nicht doch irgendwo im internetauftritt der BGE vorhanden ist. Vielleicht hat man auch etwas falsch verstanden. Und selbst wenn man eine Antwort bekommt: man steht daneben und kann nichts beeinflussen. Warum soll man sich bemühen?
Im Kontext der Asse wäre es sicherlich hilfreich, die bisherige Geschichte dieses Standortes vollständig darzustellen (zum Beispiel unter einem eigenen Themenschwerpunkt). Damit könnte mehr Vertrauen in das Versprechen geschaffen werden, es diesmal anders und besser zu machen. Die Geschichte soll sich ja nicht wiederholen. Die dazu notwendigen Informationen sollten innerhalb der BGE verfügbar sein, oder die BGE sollte zumindest darauf einen direkten Zugriff haben, falls sie woanders gelagert sind.
Nach meinen Kenntnissen wurde das Bergwerk Asse II wurde nicht für die Einlagerung von radioaktiven Abfällen gebaut. Von 1894 bis 1964 wurde der Salzstock Asse zur Nutzung als Salzbergwerk erkundet und betrieben. Dazu wurden in den Jahren 1894 und 1895 drei Bohrungen gemacht, die in ca. 300 Metern Tiefe Salz antrafen. Im Bergwerk Asse I bei Wittmar wurde dann ab 1899 Kali abgebaut. Im Herbst 1905 traf ein Vorbohrloch ein Gestein aus Salz und Ton an, aus dem salziges Wasser (Lauge) in das Bergwerk floss. (Da dies ein Salzbergwerk ist, und reflexionsseismische Methoden aufgrund fehlender Impedanzunterschiede und des Grades der Gesteinsverformung kaum kleinräumig zuverlässige Vorhersagen zulassen, wird zur Erkundung immer etwas vorgebohrt und sich dann angeschaut, ob es sich lohnt, der Gang weitervoranzutreiben. Wenn da nichts ist, was abgebaut werden kann, wird woanders weiter gemacht.)
Der Wasserzufluss nahm so stark zu, dass das Bergwerk 1906 aufgegeben werden musste. Zwischen 1906 und 1908 wurde ungefähr 1,4 Kilometer davon entfernt bei Remlingen der Schacht Asse II bis zu einer Tiefe von 765 Metern ausgebaut. Der Salzbergbau fand in 3 Gebieten statt und endete 1964.
Im Jahr 1911 wurde aus Sicherheitsgründen der Schacht Asse III bei Klein Vahlberg angelegt. Dabei floss so viel Lauge zu, dass mit dem Abbau von Salz zunächst gar nicht begonnen wurde. 1924 wurde der Schacht stillgelegt. Asse IV ist der zweite Schacht des Bergwerkes Asse II. Asse IV ist in unmittelbarer Nähe von Schacht II.
Bei der Schließung des Bergwerkes Asse II war ein Laugenzufluss (an einer(?) bestimmten Stelle?) im Bergwerk bekannt. Der Zufluss wurde so interpretiert, als dass er aus dem feuchten Material stammen würde, was in dem Bergwerk eingelagert worden war. Bei der Förderung von Salz wird nicht nur reines verwendbares Material gefördert, sondern auch anderes Gestein, was zusammen mit dem Salzgestein in dem Salzgestein vorkommt. Die Trennung erfolgt über der Erde. Das nicht verwendbare Gestein wird entweder auf eine Halde gekippt (mögliche Probleme mit dem Grundwasser darunter und Oberflächenwasser daneben) oder wieder im Bergwerk eingelagert (da war es ja schon vorher).
Da der Laugenzufluss von den für zuständig erklärten Experten so eingeschätzt wurde, dass es sich um eine begrenzte, abschätzbare Menge handeln würde, würde er sich nach der damaligen Auffassung durch Zementieren eindämmen lassen.
Hier könnte deutlich mehr Transparenz geschaffen werden: Welche Menge an Lauge floss da jeden Tag zu? Wo genau in dem Bergwerk geschah dies? Wie wurde nachgewiesen, dass der Zufluss durch das Zementieren erfolgreich nachhaltig gestoppt werden konnte? Wenn dies nicht oder nur sehr eingeschränkt gelang: Was wurde daraus gelernt? Aus den zugänglichen Quellen erscheint es so, dass jedes Mal, wenn irgendwo erfolgreich zementiert wurde, an anderer Stelle ein neuer Zufluss auftrat.
Direkt nach der Stilllegung erwarb die Gesellschaft für Strahlenforschung (GSF) 1965 das Bergwerk Asse II von der damaligen Eigentümerin (Wintershall), um wissenschaftlich-technischen Daten zu ermitteln, und um Techniken und Technologien für ein Endlager in einem Salzstock bereitzustellen.
Da das Problem der eindringenden Lauge bekannt war und Bedenken hervorgerufen hatte, benötigte der Betriebsbeginn eine Unterstützung durch ein gerichtliches Urteil. In dem Urteil wurde das Bergwerk Asse II als trocken, und für somit als für die Einlagerung von radioaktiven Abfällen geeignet erklärt.
Hier könnte deutlich mehr Transparenz geschaffen werden: Welche wissenschaftlichen Informationen wurden in dem Gerichtsverfahren verwendet? Welche Messdaten wurden genutzt? Wie zuverlässig haben diese Daten den Zustand im Bergwerk beschrieben? Wie wurde kontrolliert, dass der gemessene Zustand repräsentativ für die vorgesehenen Arbeiten ist, und sich nicht dadurch so ändert, dass Probleme geschaffen werden? Was wurde daraus gelernt, dass sich natürliche Gegebenheiten nicht an ein gerichtliches Urteil halten? (Xerxes I springt ins Gedächtnis.)
Von 1967 bis Ende 2008 betrieb die GSF (bzw. ab 2007 als das Helmholtz Zentrum München) das Bergwerk als Forschungsbergwerk. Den Genehmigungen entsprechend sollten ausschließlich schwach- und mittelradioaktiver Abfall (ohne nennenswerte Wärmeentwicklung) eingelagert werden.
Mit der Novellierung des Atomgesetzes im Jahr 1976 wurde der Begriff „Endlager“ erstmals juristisch definiert. Demnach benötigen neue Einlagerungsgenehmigungen ein Planfeststellungsverfahren mit Beteiligung der Öffentlichkeit. Dieses Verfahren wurde dann nicht eingeleitet. Da das Ende der Einlagerungsmöglichkeit bekannt war, und für die Produzenten des Abfalls in Westdeutschland keine offensichtlichen Alternativen abzusehen waren, wurde jetzt so ziemlich aller schwach- und mittelradioaktiver Abfall eingelagert, der irgendwo in Westdeutschland vorhanden war. Angenommen über 25 % des eingelagerten Abfalls stammen aus dem letzten Einlagerungsjahr (1978). Was dann tatsächlich eingelagert wurde, wie das eingelagert wurde und welche Probleme sich daraus ergeben, ist laut BGE in den letzten Jahren aufgearbeitet worden. Ich habe aber in dem Themenschwerpunkt dazu nur wenige, sehr allgemeine unspezifische Informationen gefunden. Dieses Thema könnte im Internetportal der BGE zur Asse durchaus umfangreicher dargestellt werden, da es eine der wesentlichen Grundlagen der jetzt geplanten Aktivitäten darstellt.
Von 1979 bis 1995 wurde durch das Institut für Tieflagerung nach Techniken zur Verfüllung und zum Verschluss von Bohrlöchern, Kammern, Strecken und Schächten in einem Endlager geforscht, um die geplante Endlagerung im Salzstock bei Gorleben zu unterstützen. Der Platz für Großversuche war vorhanden. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie gab im Jahr 1992 bekannt, dass diese Großversuche ab 1993 nicht mehr gefördert würden. Das GSF-Institut für Tieflagerung wurde 1995 aufgelöst.
Mir als Außenstehendem erschließt sich nicht, wie ich auf diese Forschungsergebnisse (mit meinen Steuern finanziert) zugreifen könnte. Wurde das, was da ermittelt wurde, an anderer Stelle (Gorleben?) erfolgreich fortgeführt? Sind die Ergebnisse reproduzierbar? Da Gorleben als Standort jetzt auch aufgegeben wird: Ist alles bekannt, was für ein Endlager in Salzgestein in steiler Lagerung notwendig ist? Hier könnte sehr viel mehr Transparenz geschaffen werden.
Im Jahr 1991 beauftragte das Niedersächsische Umweltministerium bei den zuständigen Behörden eine „Gefahreneinschätzung für die Schachtanlage Asse 2“. Der Bericht dazu (aus dem Jahr 1993) zeigt als Probleme anhaltende Gebirgsbewegungen und Laugenzutritte auf. Eine Verfüllung wird als zwingend erforderliche Lösung der Probleme angesehen.
Die GSF entwickelte als Resultat Maßnahmen zur Stabilisierung des Bergwerks und ein Schließungskonzept. Das Schließungskonzept der GSF wurde 1995 genehmigt und teilweise umgesetzt.
Was genau wurde getan und was nicht? Welche Kontrollen wurden betrieben, um eine erfolgreiche Erfüllung des Plans zu ermöglichen? Wenn nicht alles so funktioniert hat wie geplant: Was wurde daraus gelernt und warum wird es diesmal anders und besser laufen?
Der Antrag zur Schließung des Bergwerks (mit Abschlussbetriebsplan und Langzeitsicherheitsnachweis) wurde im Januar 2007 beim Landesbergamt eingereicht. Die Genehmigungsbehörde bewertete die eingereichten Unterlagen als nicht ausreichend, und forderte weitere Nachweise an.
Als Außenstehender würde ich dazu eine transparente Darstellung erwarten. Während meiner Berufstätigkeit war immer bekannt, welche Nachweise für eine Genehmigung notwendig waren, und wie diese Nachweise beschaffen sein mussten. Es gab sonst keine Planungssicherheit. Wie konnte es zu dieser Situation kommen?
Im Jahr 2008 wurden durch die Bundesministerien für Umwelt (BMU) und Wissenschaft und Forschung (BMWF) und dem Niedersächsische Umweltministerium dem Bergwerkbetreiber (Helmholtz Zentrum (die umbenannte GSF)) die Zuständigkeit für das Bergwerk und die Problemlösung entzogen. Ab 2009 war dann das Bundesamt für Strahlenschutz zuständig. Über die letzten 13 Jahre gibt es eine Vielzahl von Material. Seit 2008 ist öffentlich bekannt, dass nicht alle eingelagerten Behälter dicht sind (für alle Besucher des Bergwerks in den 1970er Jahren keine Überraschung) und die austretende Lauge mit radioaktivem Material belastet ist. In der Folge wurde dann auch das Restvertrauen in den Betreiber verspielt (Beispiel: Gutachten Mengel/Lennartz).
Als Resultat des fehlenden Vertrauens, der scheinbar dürftigen Daten- und Erkenntnislage, der möglichen Gefahren und Risiken und der daraus resultierenden massiven Verunsicherung wurde in ein Gesetz gefasst, dass derjenige, der nicht pleitegehen kann (der deutsche Steuerzahler) alle Kosten davonträgt, dass an dieser Stelle wieder „reiner Tisch gemacht wird“. Alles wird rausgeholt, und woanders sicher eingelagert.
Das fühlt sich zunächst gut an. Es geschieht etwas, alles wird gut.
Wie in einem anderen Beitrag im Forum (Weitere Anliegen > Welche weiteren Themen haben Sie? #2) angemerkt, gibt es in der Umgebung des Bergwerks Asse im Zwischenbericht Teilgebiete, in dem mögliche Gebiete für die Einlagerung von hochradioaktivem Abfall dokumentiert werden, kein geeignetes Teilgebiet in Steinsalz in steiler Lagerung.
Für eine Transparenz ist es sicherlich interessant zu wissen (ähnlich wie bei dem Bericht der BGE zum Salzstock Gorleben), warum spezifische Teile des Salzstock Asse unter Betrachtung aller Kriterien des StandAG als Endlagerlösung für die angenommene Art von radioaktivem Abfall geeignet ist. In der Asse wurde zwar hoffentlich nichts hochradioaktives vergraben, ein Endlager soll es aber trotzdem werden. Eine vollständige Darstellung, welche Kriterien hier nicht zutreffen, und warum dies der Fall würde deutlich zur Vertrauensbildung beitragen.
Das, was Vertrauen ausmacht, ist kurz im Beitrag #9 vom 11.4.2022 im BGE Forum Konsultation Methodik repräsentative vorläufige Sicherheitsuntersuchungen bei der Standortauswahl › Konsultation zur Methodik der repräsentativen vorläufigen Sicherheitsuntersuchungen bei der Endlagersuche beschrieben. Bisher fehlt eine Auseinandersetzung mit diesem Inhalt. Die wird möglicherweise für als nicht notwendig angesehen, weil sich die BGE darauf beziehen kann, einen gesetzlichen Auftrag auszuführen. Dazu ist keine weitere Akzeptanz (von Maßnahmen wie dem Bau eines Endlagers in der Asse) durch die Bevölkerung notwendig. Die zuständigen Aussichtsbehörden haben den Auftrag, aufzupassen, dass die BGE ihre Arbeit macht. Es muss nicht transparent sein, wie sie dies machen.
Ob dieses Gesetz, oder die Umsetzung des gesetzlichen Auftrages nach 5 Jahren Bedenkzeit weiterhin Sinn machen, erscheint in diesem Zusammenhang als nicht relevant (siehe auch #2 im Forum (Weitere Anliegen > Welche weiteren Themen haben Sie?)).